Der Schweizer Wagniskapital-Boom der letzten Jahre ist in der ersten Hälfte 2023 merklich abgekühlt: Schweizer Jungunternehmen konnten in den ersten sechs Monaten weniger als halb so viel Venture Capital auf sich ziehen wie noch im ersten Halbjahr 2022. Das geht aus dem Halbjahres-Update zum «Swiss Venture Capital Report» aus dem Hause der Investorenvereinigung SECA und des Online-Nachrichtenportals startupticker.ch hervor. Finanzunternehmer Artan Qelaj aus Zürich ordnet die Ergebnisse ein.
Zahl der Finanzierungsrunden blieb nahezu gleich
2022 war für Gründerinnen und Gründer in der Schweiz ein ausgesprochen gutes Jahr: Wie auch Artan Qelaj auf diesem Blog berichtete, flossen im vergangenen Jahr fast vier Milliarden CHF in Schweizer Start-ups – damit war das Investitionsvolumen gegenüber dem Vorjahr um fast 30 Prozent gestiegen und hatte sich seit 2020 sogar nahezu verdoppelt. Im ersten Halbjahr 2023 hat die Investitionsfreude der Wagniskapitalgeber jedoch spürbar nachgelassen: In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres konnten hiesige Jungunternehmen knapp 1,2 Milliarden CHF einsammeln, das sind 54 Prozent weniger als in demselben Zeitraum des Vorjahres. Besser sieht das Ergebnis bei der Zahl der abgeschlossenen Finanzierungsrunden aus, denn diese sank nur minimal von 163 auf 154.
Im Zuge des geminderten Kapitalflusses sank der Medianwert der Investments von 3 Millionen CHF auf 2,48 Millionen CHF. Auch bei den grossen Finanzierungsdeals kam es zu deutlichen Einbussen: In den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 flossen lediglich 331 Millionen CHF in die drei grössten Runden – im Vergleich zu 1,133 Milliarden CHF im Vorjahreszeitraum. Damit brachten es die drei grössten Finanzierungsrunden des ersten Halbjahres 2022 nahezu auf dasselbe Investitionsvolumen wie alle Finanzierungsrunden der ersten Jahreshälfte 2023.
Artan Qelaj: Infolge der Branchenunterschiede Zürich und Zug besonders betroffen
Besonders stark hat die Investorenzurückhaltung digitale Technologien getroffen: Im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik, Fintech und Healthcare IT aktive Start-ups hatten die grössten Schwierigkeiten, Kapitalgeber zu finden und konnten bis Mitte des Jahres lediglich 373 Millionen CHF einwerben. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2022 kommt das einem Rückgang von mehr als 73 Prozent gleich.
Diese Ergebnisse spiegeln sich auch in den regionalen Zahlen wider: Kantone, in denen diese Branchen besonders stark vertreten sind, verzeichneten auch die grössten Einbussen bei den Wagniskapital-Investitionen. So schrumpfte das Investitionsvolumen in Zürich gegenüber dem Vorjahreszeitraum um knapp 70 Prozent, Zug lag sogar gut 81 Prozent unter den Zahlen aus 2022 und fiel damit im kantonalen Ranking vom bisherigen dritten auf den nunmehr sechsten Platz zurück. Allerdings hatten beide Kantone im ersten Halbjahr 2022 auch einen besonders starken Aufschwung bei den Investitionen erlebt.
Für Biotech-Start-ups lief 2023 bisher gut
Während Start-ups im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik, Fintech und Healthcare IT in der ersten Hälfte 2023 nur etwas mehr als ein Viertel der Mittel des Vorjahrszeitraums erhielten, lief es für Jungunternehmer im Biotech-Sektor deutlich besser: Sie konnten das Niveau aus 2022 nicht nur halten, sondern im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar leicht steigern. Zwar sind sie mit einer Investitionssumme von knapp 283 Millionen CHF weit von den Rekordwerten von mehr als 400 Millionen CHF aus den Jahren 2019 und 2021 entfernt – haben sich im Vergleich zu den Start-ups aus anderen Branchen jedoch überdurchschnittlich gut geschlagen. Vor dem Hintergrund des aktuellen VC-Finanzierungsumfeldes ist ein Wachstum von 3,5 Prozent aus Sicht von Artan Qelaj ein respektables Ergebnis.
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